Wenn es um eines der kleinsten Organe des menschlichen Körpers geht, stellen sich den Patienten häufig viele Fragen. Zwar weiß jeder, dass er eine Schilddrüse hat, aber nicht immer ganz genau, wozu diese da ist oder wie ihre Erkrankungen einzuordnen sind. Und wenn es dann um eine Operation geht, ist allzu oft die Verunsicherung komplett.
Chefarzt Prof. Dr. Emilio Domínguez gibt Antworten auf die häufigsten Fragen.
Die Schilddrüsenzellen produzieren Schilddrüsenhormone. Diese Hormone tragen wesentlich dazu bei, den Energiestoffwechsel des Körpers aufrechtzuerhalten. Die Schilddrüsenhormone gehen in jede Körperzelle und sorgen dafür, dass die jeweilige Zelle genügend Energie produzieren kann.
In Deutschland kann bei ca. 40% der Bevölkerung eine Vergrößerung der Schilddrüse nachgewiesen werden. Knoten in der Schilddrüse treten dabei häufiger bei Frauen (ca. 50%) als bei Männern (ca. 30%) auf. Aber nicht alle nachweisbaren Veränderungen haben auch einen Krankheitswert und schon gar nicht müssen alle operiert werden.
Mit verantwortlich für viele Veränderungen war in der Vergangenheit der Jodmangel, der in Deutschland herrschte. Neueste Daten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft weisen Deutschland mittlerweile nicht mehr als Jodmangelgebiet aus, auch wenn die Versorgung der Bevölkerung besser sein könnte. Immerhin nehmen 30% der Deutschen nicht genug Jod über die Nahrung auf.
So genau weiß das keiner. Eine oft vertretene Theorie, wonach die letzte Eiszeit dafür verantwortlich sei, ist nicht haltbar. Nach dieser habe entstehendes Schmelzwasser das Jod aus den Böden in die Flüsse und über diese ins Meer gespült. Dort findet sich das Jod in großen Mengen, zum Beispiel in Seefisch, Meeresfrüchten und Algen.
Jeder Mensch ist anders, aber in der Regel liegt die Größe des Schilddrüsenvolumens bei einer Frau bei ca. 18 ml, bei einem Mann bei ca. 25 ml. Derzeit bestehen keine nennenswerten Unterschiede zwischen Bayern und Norddeutschland, was die Häufigkeit von Schilddrüsenvergrößerungen angeht.
Der Kropf ist eine Vergrößerung der Schilddrüse mit oder ohne Knotenbildung. Im medizinischen Sprachgebrauch wird diese Struma genannt. Der Jodmangel hat eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer solchen Struma. Allerdings gibt es zusätzlich häufig eine familiäre genetische – also erblich bedingte – Veranlagung zur Kropfbildung. Kommen beide Faktoren zusammen, so können sich schon im Pubertätsalter behandlungsbedürftige Schilddrüsenvergrößerungen entwickeln.
Das Schilddrüsenhormon ist im Gegensatz zu vielen anderen Hormonen eigentlich eine sehr einfache biochemische Verbindung. Es besteht aus einer einfachen Aminosäure (kleinster Eiweißbaustein) namens Tyrosin. In der Schilddrüsenzelle wird das Tyrosin mit drei beziehungsweise vier Jodatomen verknüpft. Das Ergebnis sind die Schilddrüsenhormone T3 und T4.
Bei drohendem jodmangelbedingten Hormonmangel hilft sich die Schilddrüse zunächst selbst. Wachstumsfaktoren sorgen dafür, dass sich die Schilddrüsenzellen teilen und größer werden. Dadurch können wieder ausreichend Hormone produziert werden. Dies ist grundsätzlich ein vernünftiger Schutzmechanismus, allerdings entsteht nach einer Zeit auf diese Weise eine Schilddrüsenvergrößerung, häufig gepaart mit einer Knotenbildung. Ein Teil dieser Knoten entwickelt sich zu „kalten“, ein anderer Teil wird zu „heißen“ Knoten.
Ein kalter Knoten ist hormoninaktiv. Er produziert keine Schilddrüsenhormone. Ein heißer Knoten ist hormonüberaktiv und produziert zu viele Hormone.
Die Entstehung von Schilddrüsenknoten ist noch nicht vollständig verstanden. Einerseits spielt ein Jodmangel bei vielen Knoten eine Rolle, andererseits kann jedoch auch eine spontan aufgetretene Veränderung in einer einzelnen Schilddrüsenzelle verantwortlich sein. Diese Veränderung in der Erbsubstanz der betroffenen Zelle kann zu einer hormonüberaktiven „heißen“ Zelle, aber auch zu einer hormoninaktiven „kalten“ Zelle führen. Durch die jodmangelbedingte Zellteilung im Rahmen des Schutzmechanismus der Schilddrüse entwickelt sich dann allmählich aus einer genetisch veränderten Zelle ein heißer oder kalter Knoten.
Der Jodmangelkropf wird mit einer Jodtablette oder mit einem Kombinationspräparat, das Jodid sowie niedrig dosiertes Schilddrüsenhormon enthält, behandelt. Dadurch kann die Schilddrüse um bis zu 25% kleiner werden und ein weiteres Wachstum kann meist verhindert werden. Kommt es allerdings trotzdem zu einem weiteren Wachstum mit Beeinträchtigung des Schluckens und der Atmung, muss man über eine Operation nachdenken.
Das Immunsystem neigt paradoxerweise dazu, körpereigene Abwehrstoffe gegen die eigenen Schilddrüsenzellen zu produzieren (sogenannte Auto-Antikörper). Diese Neigung ist vor allem erblich bedingt. Die produzierten Auto-Antikörper führen im Laufe der Zeit zu einer zunehmenden Hemmung der Produktion von Schilddrüsenhormonen. In der Folge entwickelt sich ein Schilddrüsenhormonmangel, allgemein als Unterfunktion der Schilddrüse oder auch Hypothyreose bekannt. In vielen Fällen schrumpft die Schilddrüse dabei im Laufe der Jahre. Diese Erkrankung heißt im medizinischen Sprachgebrauch Autoimmunthyreoiditis, häufig auch als Hashimoto-Thyreoiditis bekannt.
Die Basedow‘sche Krankheit ist eine andere Form der Autoimmunerkrankung, bei der es zu einer Bildung von Auto-Antikörpern gegen den sogenannten TSH-Rezeptor (TR) kommt. Diese Antikörper stimulieren die Schilddrüsenhormonproduktion. Die Folge ist eine ständige Überproduktion an Schilddrüsenhormonen.
Diese Erkrankung muss etwa ein bis anderthalb Jahre mit Substanzen, die die Hormonüberproduktion hemmen (Thyreostatika), behandelt werden. In diesem Zeitraum kommt sie bei etwa 50% der Patienten zum Stillstand. Kommt es nicht zu einem Stillstand bzw. immer wieder zu Krankheitsschüben, müssen die Patienten einer definitiven Behandlung zugeführt werden: In vielen Fällen ist eine Radiojodtherapie erfolgreich, bei relativ großen Schilddrüsen ist eine vollständige operative Entfernung der Schilddrüse die sinnvolle Therapieoption.
Wir wissen, dass zu wenig Jod nachteilig ist. Zu viel Jod kann allerdings unter bestimmten Umständen auch ungünstig sein. Nehmen Menschen mit einem hormonüberaktiven heißen Knoten zu viel Jod auf, kann dadurch eine Überproduktion von Schilddrüsenhormonen hervorgerufen werden. Hierbei kann es zu lebensbedrohlichen Zuständen kommen. Größere Jodmengen können auch zu einer verstärkten Bildung von Auto-Antikörpern gegen die Schilddrüse führen. Dadurch kann bei entsprechender erblicher Veranlagung eine Autoimmunthyreoiditis, also eine schmerzlos verlaufende Unterfunktion, ausgelöst werden.
Der Jodbedarf des Menschen liegt zwischen 150 und 250 Mikrogramm pro Tag. Über die Nahrung führen wir heute durch die Jodierung vieler Nahrungsmittel zwischen 120 und 180 µg zu. Vor ca. 25 Jahren lag die tägliche Jodaufnahme bei etwa 60 µg pro Tag. Dieser Jodmangel hat besonders bei entsprechender erblicher Veranlagung zur Bildung von Schilddrüsenvergrößerungen geführt. Durch die deutliche Verbesserung der Jodversorgung ist die Zahl der Schilddrüsenvergrößerungen und damit auch der Knotenbildungen bei jüngeren Menschen inzwischen deutlich zurückgegangen.
Jodmangel ist ausgesprochen ungünstig für die Schilddrüse und entscheidend für die große Zahl von Schilddrüsenvergrößerungen verantwortlich. Ein frühzeitiger Ausgleich des Jodmangels ist in keinem Falle schädlich, sondern im Gegenteil ausgesprochen wichtig.
Eine ständige überhöhte Jodzufuhr ist allerdings nicht wünschenswert, da dadurch schon bestehende Autonomien verstärkt werden können: Heiße Knoten produzieren dann mehr Schilddrüsenhormon, was zu einer behandlungsbedürftigen Überfunktion führen kann. Außerdem können durch zu viel Jod langfristig Unterfunktionen ausgelöst werden.
Wir wissen heute, dass bei täglicher Jodaufnahme ab 400 bis 500 µg die Zahl der dadurch ausgelösten Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse bei über 10% liegt. Das erklärt auch die relativ große Häufung dieser Erkrankungen in den USA und Japan (USA: 500 µg Jod pro Tag; Japan 800 bis 1000 µg Jod pro Tag). Auch bei uns in Deutschland ist die Hashimoto-Thyreoiditis häufig.
Langfristige Jodaufnahmen über 300 µg pro Tag sollten daher vermieden werden. Bei der heute üblichen Jodierung von Nahrungsmitteln und der Verwendung von Jodsalz im Haushalt kann es jedoch nur zu einem Erreichen einer für die Schilddrüse optimalen Jodversorgung kommen. Ein Jodüberangebot ist damit nicht möglich. Selbst bei Patienten, die bereits einen heißen Knoten haben, wird durch den Verzehr jodhaltiger Nahrungsmittel üblicherweise keine Überfunktion ausgelöst.
Das ist zunächst einmal gar nicht schlimm. In erfahrenen Zentren ist die Operation eine schonende und die Patienten können nach ca. drei Tagen wieder entlassen werden.
Bei der Operation einer Knotenstruma liegt das Risiko für das Auftreten einer Stimmbandnerv-Verletzung bei ca. 5%. In den meisten Fällen bildet sich diese nach etwa zwei Monaten wieder zurück. Um das Risiko einer Nerv-Verletzung zu senken, sollte ein sogenanntes Neuromonitoring eingesetzt werden und der Operateur oder die Operateurin bei der Operation eine Lupenbrille tragen. Fragen Sie ruhig bei dem Aufklärungsgespräch danach!
Ein weiteres besonderes Augenmerk gilt den Nebenschilddrüsen, die für den Calciumhaushalt verantwortlich sind. Werden diese bei der Operation verletzt kann es zu meist vorrübergehenden Calciumabfällen kommen. Diese Calciumabfälle lassen sich aber gut mit Vitamin D-Tabletten und Calciumbrause behandeln und bilden sich meist rasch zurück. Neben der Kenntnis über die übliche Lage, werden die Nebenschilddrüsen am besten durch den Einsatz einer Lupenbrille geschützt.
Üblicherweise stellt sich spätestens am Morgen der Operation Ihre Operateurin oder Ihr Operateur bei Ihnen vor und zeichnet die Schnittführung an. Kurz vor der Operation werden Sie von einer Pflegekraft vorbereitet und bekommen ein Beruhigungsmittel. Nach der Operation kommen Sie in den Aufwachraum und, sobald Sie wieder wach sind, auf Ihr Zimmer der Normalstation.
Üblicherweise werden keine Drainageschläuche in den Hals gelegt. Auf der Station kümmert sich das Pflegepersonal um Sie und gibt Ihnen auch die von Ihrem/r Operateur/in verordneten Schmerzmittel. Niemand muss Schmerzen erleiden! Manche Patienten finden es nach der Operation sehr angenehm, wenn sie den Hals mit Kälte behandeln können. Das Pflegepersonal bringt Ihnen gerne spezielle Kühlkissen, die Sie auf den Hals legen können.
Wundversorgung: Ihre Wunde wird mit einem selbstauflösenden Nahtmaterial vernäht und zusätzlich geklebt. Ab dem dritten Tag nach der Operation spricht nichts mehr gegen Duschen, es darf jedes Duschgel verwendet werden. Allerdings sollten Sie nicht auf der Wunde reiben – die noch vorhandenen kleinen Blutkrusten lösen sich mit der Zeit von selbst ab. Baden ist ebenfalls erlaubt, wenn die Wunde nicht mit eingetaucht wird. Sofern Sie in den Sommermonaten operiert werden, sollten Sie UV-Strahlung möglichst vermeiden und bei Sonneneinstrahlung für vier bis sechs Wochen ein Tuch um den Hals tragen. Auch Schwimmen ist in den ersten vier Wochen nach der Operation nicht ratsam.
Körperliche Schonung: Sie können leichten Tätigkeiten nachgehen, spazieren gehen und nach einigen Tagen auch wieder Fahrrad beziehungsweise Auto fahren. Eine Sportpause empfiehlt sich für mindestens zwei Wochen, danach können sportliche Tätigkeiten wieder aufgenommen werden. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit hängt von Ihrer beruflichen Tätigkeit ab. Über diese sprechen Sie bitte mit Ihrem Hausarzt.
Medikamente nach der Operation: Je nach Ausmaß der bei Ihnen durchgeführten Operation werden wir Ihnen entweder die Einnahme von etwas Jod oder bei kompletter Entfernung der Schilddrüse eine Hormoneinnahme empfehlen. Etwa vier bis sechs Wochen nach der Operation sollten Ihre Hormonwerte dann kontrolliert werden, um je nach Befund für Sie die richtige Dosierung zu bestimmen. Während der Hormoneinnahme sollten Sie auf ein paar Dinge achten: Versuchen Sie, die Tabletteneinnahme nicht zu unterbrechen. Nur vor einer geplanten Hormonuntersuchung sollte die Morgendosis später eingenommen werden. Nehmen Sie Ihre Tabletten bitte immer zum gleichen Zeitpunkt – möglichst ca. 30 Minuten vor dem Frühstück – ein.